Die beeindruckendsten „Action“-Filmszenen, an die sich die Älteren unter uns noch erinnern – damals gab es die heutigen Marvel-Filmhelden nur in Comics – waren in der 70er Jahren in den Westernfilmen, als Cowboy-Banditen oder Indianer auf Pferden neben Dampfeisenbahnen lang ritten und versuchten, auf diese zu springen.
Rührt daher die nostalgische Faszination, die wir empfinden, wenn wir heute Dampfeisenbahnen, die nur noch zu touristischen Zwecken eingesetzt werden, sehen? Oder ist es die entschleunigte Geschwindigkeit von rund 20 km/h, mit der die Bahnen sich fortbewegen, so dass die Augen und Sinne die Umgebung bewusster „erfahren“, als mit Tempo 200 auf der Autobahn?
Der Kreis Heinsberg hat seit 1972 so eine touristische Freizeitattraktion: die „Selfkantbahn“, die zwischen Gillrath und Schierwaldenrath fährt. Unterhalten wird die Bahn vom Verein "Interessengemeinschaft Historischer Schienenverkehr e. V. (IHS). Die Bahn selbst, die Wagen und die Lokomotive sowie die Strecke und die Bahnhöfe bilden quasi das „Kleinbahnmuseum Selfkantbahn“. Mit jeder Fahrt in einem Zug sitzt man also praktisch in einem Museumsexponat, in einem „lebendigen Geschichtsbuch“, wie die Betreiber es formulieren, zurückversetzt in die Zeit bis vor rund 120 Jahren als diese schmalspurigen Kleinbahnen auf dem Lande die Ansiedlungen miteinander verbanden. Die meterspurigen Kleinbahnen waren leichter zu errichten und zu unterhalten – sie dienten als Ergänzung zu den großen und breiteren Hauptstrecken, wie beispielsweise Düsseldorf-Aachen. In der Selfkantbahn fahren die Gäste auf einer echten Kleinbahnstrecke, 1900 eröffnet, in authentischen Originalfahrzeugen verschiedener Herkunft, die teilweise noch aus dem Jahr 1886 stammen. Weitere Fahrzeuge sind im Museumsbahnhof Schierwaldenrath ausgestellt, dort stehen auch Werkstatt, Lokomotivschuppen und Wagenhalle für Besucher offen. Zur Sammlung gehören ca. 50 Eisenbahnfahrzeuge aus allen Epochen, die alle restauriert und einsatzbereit sind bzw. noch gemacht werden. Highlights sind Fahrzeuge, die wieder zurückkommen, so wie vor einigen Jahren die Geilenkirchener Diesellok V 11, die aus Afrika zurückkam.
70 Jahre lang, bis 1971, verkehrte die einst 38 km lange Geilenkirchener Kreisbahn und hätten damals engagierte Eisenbahnfreunde nicht den Verein ins Leben gerufen, um historische Schienenfahrzeuge zu retten und zu erhalten, dann wären nur noch Erinnerungen einiger weniger Menschen geblieben.
Die heutige Strecke ist ein Reststück, der letzte verbliebene Abschnitt von 5,5 km. Er wurde gepachtet und seit 1972 als Museumsbahnstrecke genutzt – an jedem Sonn- und Feiertag von Ostern bis Ende September. Saisoneröffnung ist dieses Jahr Ostern am 9. April 2023, mit Ostereiersuche. Seit 1984 ist die Selfkantbahn die letzte der einst zahlreichen Kleinbahnen in Nordrhein-Westfalen.
Frühstücks- und Nikolausfahrten
An ausgewählten Tagen hat die Selfkantbahn auch spezielle Attraktionen, beispielsweise gibt es an den Sonntagen während der Sommersaison Frühstücksangebote. Weitere Angebote wie beispielsweise Nikolaus- oder Halloweenfahrten, Kinder- und Herbstfest, Teddybärentag, Führungen sowie Mondschein- und Spargelfahrten bieten für jeden etwas. Die offene Plattform ist allemal ein Erlebnis – die heutigen Banditen sind auch nicht mehr auf Pferden unterwegs … Getragen wird das sehr kostspielige Projekt von vielen Ehrenamtlern und Freiwilligen, die die Strecke unterhalten, in der Werkstatt arbeiten und bei den Fahrten als Lokführer, Heizer, Zugführer und Schaffner arbeiten.
VM
Kleinbahnmuseum Selfkantbahn
Adresse:
Bahnhof Schierwaldenrath
Am Bahnhof 13 a, 52538 Gangelt
Bahnhof Gillrath
Bergstraße 1, 52511 Geilenkirchen
E-Mail:
www.selfkantbahn.de