
Carl Cheng, Erosion Machine No. 4, 1969-2020, Plexiglas, metal racks and fittings, plastic, water pump, LED lights, black light, pebbles, 4 erosion rocks, and wood base, Courtesy the artist and Philip Martin Gallery, Los Angeles
Maastricht (NL). Mit Nature Never Loses rückt das Bonnefanten Museum erstmals das visionäre Werk von Carl Cheng (*1942, San Francisco) ins europäische Rampenlicht. Die Ausstellung ist die erste Retrospektive des chinesisch-amerikanischen Künstlers in Europa und bietet einen außergewöhnlichen und umfassenden Überblick über sechs Jahrzehnte seines zukunftsweisenden, genreübergreifenden künstlerischen Schaffens. Cheng zählt zu den stillen Pionieren einer Kunst, die Natur, Technologie und Gesellschaft miteinander in Beziehung setzt. Seine Arbeiten sind zugleich poetisch und kritisch – sie fordern uns auf, über unser Verhältnis zur natürlichen Umwelt nachzudenken.
Carl Cheng: Nature Never Loses
Trotz seines visionären Ansatzes blieb Carl Chengs Werk über Jahrzehnte hinweg weitgehend unbekannt – sowohl in Europa als auch in den Vereinigten Staaten. Der Künstler arbeitete selten mit Galerien zusammen, viele seiner Arbeiten befanden sich lange in seinem eigenen Besitz. Die Ausstellung bietet daher die einmalige Gelegenheit, alle Facetten seines Œuvres erstmals in ihrer Gesamtheit zu erleben – von konzeptuellen Kunstwerken im öffentlichen Raum über fotografische Skulpturen und interaktive Installationen mit recycelten Materialien bis hin zu seinen futuristischen Tools und Nature Machines, die natürliche Prozesse imitieren und gleichzeitig die Beziehung zwischen Mensch, Technologie und Umwelt kritisch hinterfragen.
Die Ausstellung gliedert Chengs nahezu vollständiges Werk in sechs thematische Bereiche, die jeweils einen anderen Blick auf Kunst und kreatives Experimentieren mit Natur und Technologie eröffnen: Die Fotografie diente ihm nicht nur zur Bildgestaltung, sondern als künstlerisches Werkzeug, um die menschliche Wahrnehmung zu hinterfragen. Früh setzte er sich mit Umweltfragen und dem Anthropozän auseinander und entwickelte sogenannte Nature Machines, die natürliche Prozesse nachbilden und die Grenzen zwischen Mensch und Natur aufzeigen. Seine Reisen nach Asien in den 1970er Jahren prägten sein Denken über Material, Autorschaft und Publikum – viele seiner kleinen Werke aus dieser Zeit integrierte er später in größere Projekte. Unter dem Pseudonym John Doe Co. thematisierte Cheng kritisch Konsum, Kommerz und kulturelle Identität, wobei er bewusst im Hintergrund blieb. Die Anonymität war auch steuerlich vorteilhaft beim Erwerb von Materialien und ermöglichte ihm eine kritische Auseinandersetzung mit der Behandlung von Vietnam-Veteranen und asiatischamerikanischen Menschen, ohne seine eigene Identität in den Mittelpunkt zu stellen. Seine sogenannten Art Tools – mechanische Geräte zur Schaffung flüchtiger Kompositionen – stehen für eine eigenständige Verbindung von Technik und Kreativität. Schließlich verlagerte sich sein Fokus auf großformatige Installationen im öffentlichen Raum, die er als Auseinandersetzung mit „Human Erosion“ versteht. Das häufige Scheitern dieser Projekte – durch Vandalismus, mangelnde Pflege oder den natürlichen Verfall organischer Materialien – sieht er als Metaphern für die Fragilität eines durch menschliche Aktivitäten irreversibel veränderten Klimas.
Publikation
Zum Sommer erscheint eine umfassende Publikation, die erstmals Chengs Gesamtwerk mit Archivmaterial, Werkverzeichnis und kunsthistorischer Einordnung dokumentiert. Die Ausstellung wurde kuratiert von Alex Klein, Chefkuratorin und Leiterin der kuratorischen Abteilung am The Contemporary Austin (Texas) mit Unterstützung von Rachel Eboh, kuratorische Assistenz.
Weitere Informationen: www.bonnefanten.nl
PM / red.